Mit Regionalstrom vom Wettbewerb abheben
Nachdem der Ökostromvertrieb an Privatkunden in den vergangenen zwei bis drei Jahren lahmte, entdecken aktuell immer mehr Versorger Ökostrom aus regionaler Herkunft als veritable Möglichkeit, die Kundenzahlen zu steigern. Dass dies dringend nötig ist, zeigt die aktuelle Vertriebskanalstudie Energie. Besaßen im Jahr 2015 knapp 38 Prozent der Kunden einen Öko- oder Klimatarif, waren es in diesem Jahr nur noch 29 Prozent. Ein Grund dafür ist der steigende Anteil von EEG-Strom im bundesweiten Strommix, der die Argumentation der Ökostrom-Anbieter gegenüber den Kunden erschwert. Da immer mehr Anbieter ihr Portfolio vollständig auf Grünstrom umstellen oder Ökostrom nach wie vor im Discount-Segment – auch wenn nicht immer zu den ganz günstigen Preisen – zu finden ist, verbleiben wenig Differenzierungsinstrumente. Denn Labels und Zertifikate verwirren die Verbraucher laut einer aktuellen Verivox-Umfrage zusehends. Mit Regionalstrom ist es wieder möglich, sich vom Wettbewerb abzuheben. Daher gilt weiterhin: Regional ist das neue Bio! Dafür sprechen auch verschiedene Wettbewerberaktivitäten, die wir im Rahmen unserer kontinuierlichen Wettbewerbsbeobachtung ermittelt haben.
Wettbewerbsbeobachtung Regionalstrom
Darauf setzt bspw. die GASAG seit Anfang des Jahres mit ihrem „GASAG | Regionalstrom“, der aus lokalen BHKW-, PV- und Biogasanlagen stammt. An einigen hundert Abschlüsse bis zum Juli leitet Vertriebsleiter Martin Ridder ein eindeutiges Interesse ab und ist überzeugt, dass Regionalität über kurz oder lang auch in der Stromwirtschaft wichtig sein wird.
Das Grünstromwerk vertreibt ab sofort im Ort Perl den Regionalstromtarif „Regionalstrom Perl“. Der Strom stammt vollständig aus Deutschland. Etwa die Hälfte kommt aus Windanlagen aus der Region, u.a. aus einem Windpark des Kooperationspartners Juwi.
Greenpeace Energy kündigte vor kurzem das erste Power Purchase Agreement (PPA) zur Belieferung von Haushaltskunden an. Der Strom wird aus einem Windpark in Schleswig-Holstein stammen, nachdem dessen EEG-Förderung ausgelaufen ist.
Hinzu kommen eine Reihe von lokalen Strom-Marktplätzen, auf denen Kunden den lokalen Stromproduzenten wählen und so ihren persönlichen Strommix bestimmen können. Lumenaza ist in diesem Feld führend. Im Frühjahr startete Lumenaza zusammen mit der EnBW-Tochter „Interconnector“ den Marktplatz „Biberenergie“.
enyway, eine Ausgründung des ehemaligen LichtBlick-Chefs Heiko von Tschischwitz, bezeichnet sich selbst als das „Airbnb für Strom“ und erhielt eine breite Medienberichterstattung. Auch hier können Kunden ihren Lieferanten bzw. die Anlage frei wählen. Anders als bei Lumenaza tritt der lokale Kleinproduzent als ein bei der Bundesnetzagentur gemeldeter Versorger auf.
Viel Aufmerksamkeit wurde auch dem Tal.Markt der Wuppertaler Stadtwerke zuteil, der die Grünstromeigenschaft lokaler Produzenten per Blockchain dokumentiert. Das Angebot erhalte so viele Anfrage von außerhalb, dass es ab 2019 bundesweit verfügbar sein soll. Das Marktpotenzial in Wuppertal beziffert der Versorger auf zehn Prozent des Ökostrommarktes, bundesweit auf zehn bis 20 Prozent.
Um einen Blockchain-basierten Marktplatz bemüht sich auch das Allgäuer Überlandwerk. Für die AÜW mit starker regionaler Verankerung ist es wichtig, dem Produkt „Strom“ einen lokalen Charakter zu verleihen. Denn für den Versorger stelle es einen großen Mehrwert dar, seinem Kunden garantiert regionalen Ökostrom – evtl. sogar zu variablen Preisen – anbieten zu können. Der Stromhandel soll perspektivisch über Wilpoldsried auf das gesamte Netzgebiet der AÜW ausgedehnt werden.
Laut der 13. Ökostromumfrage von Energie & Management bieten aktuell 44 Anbieter explizit ein Regionalstromprodukt an. Über 60 Prozent beschaffen dabei regionalen Ökostrom. Der Rest wirbt mit der Förderung heimischer Ökostromproduktion oder von Klimaschutzprojekten.
Treiber des Trends
Der Konsumtrend hinzu regionalen Produkten ist kaum mehr zu übersehen. Vor allem im Handel ist dies zu beobachten. Supermärkte werben aktuell vornehmlich mit regionalen Erzeugern. Für die gestiegene Wertschätzung von Regionalprodukten beobachten Trendforscher ebenso wie Biofachmärkte vor Ort unterschiedliche Motive. Als kaufentscheidende Argumente für regional erzeugte Lebensmittel geben bspw. die Kunden von Fair & Quer an: hohes Vertrauen in regionale Produzenten, kurze Transportwege, maximale Frische sowie die Bereitschaft, die Region und ortsansässige Betriebe zu unterstützen. Das sind Faktoren, die so oder ähnlich auch im Energievertrieb relevant sein können. Eine repräsentative forsa-Umfrage von 2016 unterstützt dies: 65 Prozent der Energiekunden würden Ökostrom aus lokalen Windanlagen bevorzugen, falls dieser entsprechend gekennzeichnet wäre.
Eine große Rolle spielt dabei die zunehmend dezentrale und kleinteilige Ökostromerzeugung, die die Bedeutung des Faktors Regionalität aus verschiedenen Gründen steigert:
- Hohe Akzeptanz der Energiewende
- Preisverfall bei Modulen und Speichern
- Wunsch nach Unabhängigkeit bei Energieerzeugung und -bezug (bspw. Mieterstromprojekte)
- Suche nach Geschäftsmodellen und Vermarktungsmöglichkeiten für Erneuerbare Energien-Anlagen nach dem Auslaufen der Einspeisevergütung
Neben der Frage des Orts der Erzeugung spielt für den Faktor Regionalität die örtliche Präsenz des Anbieters eine Rolle, z.B. durch die Verfügbarkeit eines persönlichen Ansprechpartners in einer Filiale des Anbieters oder über sonstiges, lokales Vertriebspersonal.
Ab 2019: Regionalnachweis für EEG-Strom
Ab 2019 werden Regionalstromtarife aufgrund der Einführung des Regionalnachweisregisters durch das Umweltbundesamt einen weiteren Schub erhalten. Mit Regionalnachweisen kann dann die geographische Herkunft von EEG-Strom, der über die Marktprämie gefördert wird, ausgewiesen werden. Der österreichische Versorger VERBUND hat das Register bereits zusammen mit einem Stadtwerk getestet und für belastbar befunden. Die regionale Grünstromkennzeichnung sei gerade für kleine Stadtwerke ein „transparentes und glaubwürdiges Kundenbindungsinstrument“.
Spielen auch Sie als Vertrieb mit dem Gedanken, ihre Tarife aufzuwerten und mit Regionalstrom oder anderen Zusatzleistungen die Kundenbindung zu steigern? Dann freuen wir uns auf ein unverbindliches Gespräch.
Hinweis: Bereits im Jahr 2014 hat Kreutzer Consulting im Rahmen des Energiemarktreports den Trend zu regionalen Angeboten analysiert. Lesen Sie hier unsere damalige Analyse.