Mehrwertleistungen auf Smart Meter-Basis: Wo geht die Reise hin?

Die Einführung intelligenter Messsysteme stellt die Versorger aktuell vor große Herausforderungen. Mit der Entwicklung des Messstellenbetriebs zum wettbewerblichen Angebot entstehen einerseits Begehrlichkeiten auf Seiten branchenfremder Wettbewerber, andererseits müssen sich die grundzuständigen Messstellenbetreiber fragen, ob die Pflichtleistungen ausreichen, um die Kunden beim Messstellenbetrieb und vor allem auch bei der Belieferung zu binden. Da in den ersten drei Jahren ab Rollout-Start nur 10% der Messstellen mit einem Verbrauch von 10.000 kWh und mehr mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden müssen, könnte man meinen, dass in den nächsten Jahren erst mal wenig passieren wird. Betrachtet man allerdings, was Wettbewerber gerade auf Basis intelligenter Zähler und vernetzter Geräte planen, entsteht der Eindruck, dass es für die Energieversorger jetzt schon zu spät ist. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer irgendwo dazwischen. Dennoch haben wir fünf Thesen aufgestellt, die aus unserer Sicht bei der Entwicklung einer Produktstrategie in neuen Geschäftsfeldern berücksichtigt werden sollten.

1. Wettbewerbliche MSB werden den Markt jetzt besetzen

Unabhängig davon, was grundzuständige Messstellenbetreiber in den nächsten Monaten tun, werden sich die wettbewerblichen Anbieter sofort auf attraktive Zielgruppen konzentriert stürzen. Dabei werden sie sich weder an Verbrauchsgrenzen noch an Pflichtleistungen orientieren, sondern einzig und alleine an der Nachfrage und der Werthaltigkeit der Kundensegmente. Das Risiko, interessante Kundengruppen beim Messstellenbetrieb und auch in der Belieferung zu verlieren, ist dabei groß. Noch schwerwiegender dürfte sein, dass die „Mehrwertdienste“, die diese Unternehmen dann vermutlich in Anspruch nehmen werden, für die Anbieter der profitabelste Teil der Leistung sein dürften.

2. Amazon & Co. kommen gut ohne das iMSys aus, könnten aber davon profitieren

Die Befürchtung, dass die Digitalisierung auch im Energiemarkt zu Wettbewerb mit globalen IT- und Internetkonzernen wie Amazon oder Google führt, ist leider nicht von der Hand zu weisen. Dass diese Unternehmen aber unbedingt auf die Smart Meter-Infrastruktur aufsetzen müssen, um die vielgerühmten Mehrwerte zu generieren, die die Kunden dann gerne bezahlen, ist unwahrscheinlich. Zwar sind Informationen, die aus dem Energieverbrauch, vor allem von Haushaltskunden, abgeleitet werden können, durchaus interessant. Letztlich haben die Unternehmen aber genug eigene Mittel, um an Daten ähnlicher oder sogar besserer Qualität zu kommen. Alleine mit den neuen Sprachassistenten „Google Home“ oder „Amazon Echo“ lassen sich das Kundenverhalten, aktuelle Aufenthaltsorte oder Bedürfnisse und Wünsche sehr gut in Erfahrung bringen. Durch die Einbindung und direkte Ansteuerungsmöglichkeit von Smart Home-Geräten, Smartphones oder gar Autos dürfte die Datenqualität nochmals deutlich steigen. Der Zugriff auf die Smart Meter-Daten wäre zwar nett, ist aber mit Sicherheit nicht nötig, es sei denn, der hochsichere Datenkanal des Smart Meter Gateways wird benötigt.

3. Mehrwerte für Massenkunden entstehen nicht durch Energiesparpotenziale

Mit Installation der Smart Meter werden die Verbraucher viele neue Angebote bekommen. Angefangen bei neuen, lastvariablen Tarifen über Visualisierungs- und Energiemanagement-Tools bis hin zu komplexen dezentralen Energielösungen, die die PV-Anlage auf dem Dach, den Heimspeicher, die Wärmepumpe und das Elektroauto umfassen, entstehen im Moment vor allem Ideen rund um den Energiebereich. Während dezentrale Einspeiser gerade noch für komplexe Energieanwendungen zu begeistern sein dürften, ist beim Otto-Normalverbraucher kaum mit Interesse zu rechnen. Die vielzitierte Waschmaschine wird vermutlich auch in zehn Jahren lieber nach eigenem Gutdünken eingeschaltet als auf die Netzdienlichkeit des Energieverbrauchs abgestimmt. Auch die automatische Steuerung solcher Geräte erscheint nicht sinnvoll, da die wenigen Cent, die man sparen könnte, durch den damit verbundenen Komfortverlust ausgeglichen werden können.

Mehrwerte für den Kunden entstehen vielmehr durch Komfortsteigerung, die Erfüllung zunehmender Sicherheitsbedürfnisse und die Durchgängigkeit, also die Möglichkeit, fast alles über eine Plattform erledigen zu können. Dafür werden die Kunden bezahlen oder ihre Daten preisgeben. Amazon ist hierbei sicherlich am weitesten. Bezogen auf den Energiemarkt bestehen aber durchaus noch Potenziale.

4. Datenschutz ist irrelevant

Datenschutz und Datensicherheit sind wichtig, sofern es um das intelligente Messsystem, damit verbundene Energiemanagementsysteme und kritische Anwendungen wie Sicherheitssysteme oder Gesundheitsinformationen geht. Der Verbraucher muss darauf vertrauen können, dass seine Daten sicher sind und die Systeme durch Dritte nur mit sehr hohem Aufwand zu hacken sind.

Dennoch darf man nicht davon ausgehen, dass der Datenschutz für die Verbraucher Grundbedingung ist. Obwohl der Datenschutz, vor allem im Hinblick auf die Aktivitäten US-amerikanischer Konzerne wie Facebook, Google oder Amazon, sehr intensiv diskutiert wird, zeigt sich, dass viele Nutzer alle Bedenken über Bord werfen, wenn damit kostenlose Leistungen verbunden sind. Die Möglichkeit, ein soziales Netzwerk zu pflegen, Informationen zu finden oder günstige Hardware zu nutzen, scheint schwerer zu wiegen als der Anspruch an Datenschutz.

Deshalb wird es vermutlich einen Wettbewerb zwischen weitestgehend kostenlosen Anwendungen, bei denen der Kunde detaillierte Informationen über sein Verhalten preisgibt und der Anbieter für kommerzielle Zwecke nutzt, und hochsicheren, kostenpflichtigen Anwendungen, bei denen man im Wesentlichen für den Schutz der Persönlichkeit bezahlt, geben. Die Frage, welches Geschäftsmodell am Ende erfolgreicher sein wird, kann sich jeder selbst beantworten.

Deshalb sollte man sich als Energieversorger auf jeden Fall darüber Gedanken machen, welchen Wert die mithilfe eines Smart Meters gewonnenen Daten haben und wie man diesen Wert monetarisieren kann.

5. Kundenzugang ist wichtiger als Wertschöpfung

Schon vor zwei Jahren haben wir im Energiemarktreport 2015 das Thema Digitalisierung unter dem Aspekt der Entwicklung von „Plattformen“ betrachtet. Letztlich macht Vernetzung nur Sinn, wenn alles miteinander verbunden ist und bei Entscheidungen die Wechselwirkungen von Handlungen möglichst umfassend berücksichtigt werden können. Um dies zu gewährleisten, müssen entweder alle Sensoren, Aktoren und Informationsquellen über unterschiedliche Systeme miteinander kompatibel sein oder es müssen wenige, umfassende Ökosysteme existieren, die die Bedürfnisse des Nutzers komplett abdecken. Im Moment steuern wir in vielen Bereichen eher auf die umfassenden Ökosysteme zu, wobei man zugeben muss, dass die Kompatibilität der Ökosysteme untereinander ebenfalls zunimmt. Der Kunde wird sich aber am Ende eher für eine Plattform wie Android oder iOS entscheiden, und dann die dort angebotenen Services bevorzugt in Anspruch nehmen. Auf solchen Plattformen steht der Plattformbetreiber, in unserem Beispiel Google oder Apple, im Vordergrund. Die Leistungserbringer, die spezifische Apps anbieten, müssen sich erst einmal den Regeln der Plattform unterwerfen und ihre eigenen Angebote danach ausrichten. Sonst können sie die Plattform nicht nutzen. Je mächtiger die Plattformen werden und desto mehr die Kunden der Marke des Plattformbetreibers vertrauen, umso weniger wichtig werden die Marken der Anbieter sein, die ihre Produkte verkaufen. Zudem neigen die Plattformbetreiber dazu, die Leistungen Dritter durch eigene Produkte zu ersetzen. Amazon bietet bspw. ein umfassendes Portfolio von Elektronikprodukten unter dem Namen „Amazon Basics“ an, Google ist in den Markt für Smartphones und Tablets eingestiegen und der Video-Streaming-Anbieter Netflix setzt darauf, eigene Serien und Filme zu produzieren, anstatt teure Lizenzen für Produktionen Dritter einzukaufen.

Der eigentliche Hersteller verliert an Relevanz und die Marke des Plattformbetreibers ersetzt die Marken der Anbieter mehr und mehr.

Dies kann in allen Bereichen passieren und würde im Energiemarkt bedeuten, dass man zwar weiter Energie an Kunden liefert, aber auf der Vertriebsplattform nur noch bedingt für den Kunden sichtbar ist. Damit wird man austauschbar und gerät auch margenseitig immer weiter unter Druck.

Daher ist es immanent wichtig, den direkten Kontakt zum Kunden nicht zu verlieren. Selbst wenn bei manchen Leistungen die eigene Wertschöpfung sehr überschaubar ist, lohnt es sich vielleicht, auch solche Dinge anzubieten, um mit dem Kunden in Kontakt zu bleiben.

Denn nur die Kundenbeziehung und ein möglichst umfassendes Wissen über die Bedürfnisse und Wünsche der Verbraucher haben einen nachhaltigen Wert.

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