Künstliche Intelligenz bietet viel Anwendungspotential in der Energiewirtschaft

Im Zuge der Digitalisierung erhält auch die Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Einzug in viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche. Dies zeigt das jüngste Beispiel der Künstlichen Intelligenz ChatGPT, die derzeit in aller Munde ist. Es ist davon auszugehen, dass weitere ähnliche KIs folgen werden. So hat Google als Reaktion auf ChatGPT heute mit „Bard“ einen eigenen KI-Chatbot vorgestellt, der der breiten Öffentlichkeit in den kommenden Wochen zur Verfügung stehen soll. Dieser soll u.a. auf aktuelle Web-Inhalte zugreifen können, was bei ChatGPT derzeit nicht geht.

Dass künstliche Intelligenz bei Energieversorgern vor allem im Kundenservice Einzug halten wird und muss, ist unbestritten. Zur Frage, wie schnell es geht und zu welchen Veränderungen künstliche Intelligenz in der Energiewirtschaft führen wird, haben wir mit Dr. Richard Lohwasser, dem Gründer von ENNEO.AI, einem Startup, das künstliche Intelligenz auf Probleme in der Energiewirtschaft anwendet, gesprochen. Er ist seit über 10 Jahren im Energiesektor aktiv, u.a. als Direktor bei Vattenfall, Geschäftsführer bei ExtraEnergie für Operations, Projektleiter bei McKinsey und zuletzt als Gründer des Energieversorgers Lition. Er hat fünf Thesen zum Einfluss von KI auf die Energiebranche in den nächsten 2-3 Jahren aufgestellt, die wir Ihnen hier gerne vorstellen:

  1. > 70 % der E-Mail-Kundenanfragen werden ausschließlich von einer KI beantwortet:
    Zunächst einfache Aufgaben wie Zählerablesung oder Netzkommunikation, später komplexe Themen wie Anfragen zu staatlichen Maßnahmen (z.B. Strompreisbremse oder Smart-Meter). Die menschliche Interaktion wird sich auf die Überwachung, die Spezifizierung der KI und Grenzfälle beschränken.

  2. Die Zeit, die Mitarbeiter in Kundengesprächen verbringen wird um über 40 % reduziert:
    Einfache Aufgaben werden von einer KI übernommen, wie z. B. Präqualifikation, Zählerstände und Rechnungsinformationen. Komplexere Aufgaben werden weiterhin manuell erledigt, wobei die Mitarbeiter eine wesentliche Unterstützung in Echtzeit durch eine KI erhalten. Zudem werden wir eine weitere Verlagerung der Kanäle weg vom Telefon hin zu Chat und Self-Service erleben.

  3. Die Kunden werden sich daran gewöhnen, dass der Kundendienst sofort antwortet, nicht nur im Chat, sondern auch auf E-Mails und Rechnungen:
    Es wird einfach sein, die Kunden innerhalb von wenigen Sekunden mit einer guten Antwort zufriedenzustellen. Zudem wird es ein Unterscheidungsmerkmal für Energieversorger, welches den Umsatz, die Kundenzufriedenheit und Loyalität steigert.

  4. Datenbezogene Arbeit wird sich durch KI-Schnittstellen, die eine erweiterte Eingabeaufforderung unterstützen, verändern:
    Es folgen drei Beispiele für Eingabeaufforderungen, die unsere Arbeitsweise verändern werden:
    • „Liste alle Kunden auf, die für unser Solarprodukt relevant sind, d.h. > 4.000 kWh verbrauchen, vermutlich in einem eigenen Haus wohnen und in einem Gebiet mit einer Globalillumination > 170 W/m² leben“
    • „Schreibe ein personalisiertes Anschreiben für alle diese potenziellen Solarkunden unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Lebensumstände. Füge unter Berücksichtigung der Produktspezifikationen auf unserer Webseite und des aktuellen Tarifs eine individualisierte Berechnung ihres persönlichen Nutzens hinzu. Speichere das Ganze in einer XLS-Datei, damit ich es vor dem Versand über unser E-Mail-System überprüfen kann.“
    • „Bereiten Sie eine Preisanpassung für alle Gaskunden vor, deren Preisgarantie in 6 Wochen ausläuft. Erreichen Sie eine Bruttomarge von 80 € für einen Verbrauch bis 4.000 kWh und darüber eine Bruttomarge von 1,5 %.“
  1. Erhebliche Kosteneinsparungen bei verbesserten Durchlaufzeiten für die meisten sich wiederholenden Aufgaben:
    Dies ist das Ergebnis der obigen Punkte. Allerdings wird es mit einer anderen Mentalität der Mitarbeiter gepaart: Die typische "Wir sind im Energiesektor, das hat schon immer so funktioniert, warum sollte sich das ändern?"-Mentalität, an die wir alle so gewöhnt sind, wird nur bei Grundversorgern und einigen wenigen mit einem treuen Kundenstamm weiter funktionieren. Und auch nur für eine gewisse Zeit, nicht für immer.

Wer ChatGTP schon einmal ausprobiert hat, kann sich vorstellen, dass solche Lösungen schon heute funktionieren können. Angesichts der rasanten Entwicklung in dem Bereich wird die Technologie sehr schnell noch sehr viel mehr können. Energieversorger sollten jetzt beginnen, die Potenziale von KI für sich zu nutzen und insb. den Mitarbeitern im Kundenservice die Möglichkeit geben, sich auf die wichtigen Fragestellungen zu konzentrieren. Die Kundenkommunikation wird durch neue Produkte und Dienstleistungen immer komplexer.  Zur Entlastung der Mitarbeiter und Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch bspw. schnelle Antworten, kann eine Künstliche Intelligenz unterstützen.

Die Potentiale von KI in der Energiewirtschaft sind jedoch vielfältig und nicht nur auf den Kundenservice und Vertrieb beschränkt. Stattdessen gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten, bspw. bei der Planung, Instandhaltung, Wartung und dem Management von Anlagen.

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