Branchenfremder Wettbewerb: Versorger vergessen Autobauer!
Aktuelle Studien zu Strategiethemen vom VKU/PwC und Horvath & Partners bestätigen, dass Versorger den zunehmenden Wettbewerb durch neue, branchenfremde Akteure als eine der größten Herausforderungen begreifen. Allen voran werden von den befragten Versorgern Unternehmen aus der ITK-Branche genannt, mit großem Abstand gefolgt von Wohnungswirtschaft und EDL-/Wärmedienstleister. Völlig außer Acht lassen die Versorger offensichtlich die Automobilhersteller, die die Befragten in keiner der genannten Studien erwähnen, die aber im Falle des Markthochlaufs der Elektromobilität wohl zu den wichtigsten Konkurrenten avancieren dürften.
Autohersteller stoßen in neues und klassisches Energiegeschäfts vor
Dafür sprechen die Aktivitäten der Autobauer im Bereich Energie. BMW baut zusammen mit Viessmann und der gemeinsamen Tochter Digital Energy Solutions bereits seit Anfang 2016 umfangreiche Kompetenzen hinsichtlich integrierter Energiemanagementlösungen inkl. Ladesäulenangebot und im klassischen Commodity-Geschäft auf. So hat Digital Energy Solutions bspw. die Stromangebote von Stiebel Eltron und der Deutschen Telekom sowie die neue Strom-Community von Viessmann umgesetzt. Darüber hinaus ist in den Niederlanden bereits ein eigener BMW-Stromtarif im Rahmen des „BMW Digital Charging Service“ verfügbar. Audi testet aktuell eine Kombination aus PV-Anlage, Speicher, Wallbox und E-Auto für Privatkunden. Daimler bzw. Mercedes Benz ist seit Längerem mit Heimspeichern und einer Wallbox von The Mobilty House im Markt vertreten. Renault bietet in Kooperation mit Bosch und dem intercharge-Netzwerk die Ladekarte „Z.E. Pass“. Nissan kooperiert ebenfalls mit The Mobility House und zusätzlich mit RWE für eine Heimladelösung. Für das öffentliche Laden vertreibt Nissan RFID-Chips von Plugsurfing. Mit Ionity erschließen BMW, VW, Ford und Daimler den Markt für das Schnellladen.
Autobauer perspektivisch auch in Konkurrenz zum ÖPNV
Die Autobauer stoßen dabei in das neue (Erneuerbare Energien-Erzeugung, Speicherung, Vernetzung, Wallboxen) als auch in das klassische Energiegeschäft (Stromlieferung) vor. Hinzu kommen bei den Bereichen Mobilitätsleistungen bzw. ÖPNV und Netze, was vor allem Stadtwerke mit integrierter Wertschöpfungskette betrifft. Autobauer entwickeln zum einen eifrig digitale On-Demand-Angebote wie etwa Ridepooling-Services auf Basis autonomer Fahrzeuge, deren Kostenstrukturen und Komfortvorteile dem ÖPNV nachhaltig Konkurrenz machen können. Als Beispiel ist das Konzept MOIA von VW zu nennen. Zum anderen wird laut einer Studie von Oliver Wyman die Stabilität des Verteilnetzes mittelfristig von der Fähigkeit der E-Autos zum flexiblen Laden abhängen. Werden die Akkus vieler E-Autos zur virtuellen Speicher vernetzt, besitzen die Autohersteller als Aggregatoren von hunderttausenden oder gar Millionen Fahrzeugen und deren Speicher einen Hebel, auf den Netzbetreiber nicht verzichten können. Entscheidend wird hier der finanzielle Anreiz für die E-Auto-Besitzer, ggf. in Form dynamischer Tarife, sein.
Je schneller sich die Elektromobilität verbreitet, Sektorengrenzen verschwimmen und Branchen konvergieren, desto eher werden Autohersteller Geschäftsfelder wie private Ladeinfrastrukturservices, Stromversorgung, Mobilitätsservices und netzdienliches Laden besetzen. Die Autohändler können bspw. attraktive Pakete aus Lade-Services und -Hardware, Tarifen für Auto Haushalt und/oder Gewerbe (inkl. Anreize zum flexiblen Laden) und den Fahrzeugen selbst schnüren. Da die meisten Haushalte nur über einen Stromanschluss verfügen, besteht für etablierter Stromversorger die Gefahr, den Kunden nie wieder zurückgewinnen zu können. Angeschlossen werden Mobilitätsservices, die zusätzlich dem ÖPNV Konkurrenz machen, während die Netzbetreiber im Querverbund zu einem gewissen Grad auf die bidirektionale Lademöglichkeit der Autos angewiesen sind.
Was Autohersteller zur starken Konkurrenten macht
Die Faktoren, die die Autobauer abseits ihres Aufbaus von energiewirtschaftlichen Kompetenzen und der generellen günstigen Marktentwicklung zu potenziell starken Konkurrenten der Versorger macht, gründen im Wesentlichen auf ihrer Marketingkompetenz. Sie setzen Geschäftsmodelle wie das Leasing von hochpreisigen Gütern, die Energieversorger im Bereich der Energiedienstleistungen seit 3-4 Jahren vorsichtig erkunden, schon lange erfolgreich um. Weitere Hardware wie PV, Speicher oder Ladeinfrastruktur zu integrieren oder komplementär umzusetzen, dürfte keine Schwierigkeit darstellen. Ein Low-Interest-Produkt wie Strom lässt sich zudem leichter zusammen mit einem High-Interest-Produkt wie einem Auto verkaufen. Darüber hinaus kann trotz Dieselaffäre kein Energieversorger mit der Marktmacht und dem Markenimage der Autobauer mithalten. Laut Millard Brown ist unter den 50 wertvollsten Marken Deutschlands kein Energieunternehmen, unter den TOP 20 finden sich aber fünf Automarken. Nur die größten Energiekonzerne dürften bei den Kundenzahlen annähernd mithalten können. Über den laut research:tools und Energie & Management 172 Mio. Euro hohen Werbeetat der Stromanbieter im Jahr 2017 dürften BMW, VW & Co. eher schmunzeln.
Umso verwunderlicher und durchaus riskant ist es daher, dass die Versorger die Autohersteller anscheinend als potenzielle Wettbewerber noch nicht wahrnehmen. Um die eigene Position zu stärken, bedarf es präziser und nutzenstiftender Informationen über die Wettbewerber. Als spezialisierter Dienstleister unterstützen wir Sie gerne dabei, Wissen um neue branchenfremde Wettbewerber aufzubauen und sich den anstehenden Herausforderungen mit geeigneten Angeboten zu stellen.