ALDI im Wandel

ALDI – dieser Nimbus hat sich in das Gedächtnis der Deutschen als Inbegriff des „gut und günstig“ eingeprägt. Über Jahrzehnte galt der eiserne Grundsatz: Spartanische Filialen, die günstigsten Preise, keine Markenartikel und ausschließlich Printwerbung.

In den letzten Jahren wurden diese Grundätze immer weiter aufgeweicht. Die hohe Wettbewerbsintensität im Einzelhandel zwang den einstigen Branchenpionier zum Umdenken. Die Filialen wurden schöner, Markenartikel fanden Einzug in das Produktsortiment, die Preise stiegen und seit September diesen Jahres flimmern auch teure TV-Werbespots über die deutschen Fernsehbildschirme.

Unter dem Motto „ALDI. Einfach ist mehr“ soll dem Kunden das überschaubare Angebot von rund 1.200 Artikeln als Hort des entspannten Einkaufens in einer von Stress dominierten Welt verkauft werden. Ein Werbespot gipfelt in der Frage eines Kindes an die Elterngeneration: „Wir brauchen keinen Supermarkt, der so groß ist, dass ihr euch nicht entscheiden könnt. Warum glaubt ihr, dass ihr mehr braucht?“

Die transportierte Aussage macht klar: Mit einem Einkauf bei ALDI kann man nichts falsch machen. Zwar ist das Angebot im Vergleich zur Konkurrenz beschränkt, doch was man dort kauft ist solide und „anständig“ bepreist.

ALDI SÜD überrascht mit Stromangebot

Dieses Image soll nun auch für den Stromvertrieb genutzt werden. Damit überrascht der Einzelhändler viele Branchenvertreter.

Wer seit dem 21.11.2016 die Website von ALDI SÜD besucht, wird direkt auf der Startseite mit „ALDI Grünstrom“ konfrontiert. Hinter dem zeitlich limitierten Ökostrom-Angebot, das nur im Einzugsgebiet von ALDI SÜD verfügbar ist und eine einjährige Preisgarantie auf alle Kostenbestandteile außer der Umsatzsteuer aufweist, steht 123energie, eine Vertriebsmarke der Pfalzwerke. Ein integrierter Strompreisrechner hilft bei der Ermittlung des je nach Postleitzahlengebiet variierenden Strompreises. Bezahlen Verbraucher in Speyer (PLZ 67346) bei einem jährlichen Verbrauch von 4.000 kWh rund 1.046 Euro im Jahr, werden Verbraucher in München (PLZ 80331) mit 1.118 Euro zur Kasse gebeten. Damit beträgt die im ALD-Tarifrechner angezeigte jährliche Ersparnis gegenüber dem Grundversorgungstarif in der bayrischen Hauptstadt „magere“ 52 Euro. Wirklich „günstig“ geht anders.

Zeitpunkt ist strategisch gut gewählt

Der Zeitpunkt des Angebots ist gut gewählt. Allein im November kündigten rund 250 Grundversorger Preiserhöhungen zum Jahreswechsel an. Und im Fernsehen überbieten sich derweil die Vergleichsportale und Versorger mit Fernsehwerbung. Entsprechend sensibel reagieren die Verbraucher. Der Wunsch nach Preissicherheit und einem „Anker“ im Dickicht der vielen Möglichkeiten liegt also nahe. Auf ALDI kann man sich ja schließlich immer verlassen – da weiß man, was man hat!

ALDI setzt auf Online-Abschluss

Im Gegensatz zu Lidl und Kaufland, die bereits im Jahr 2007 Strom von E Wie Einfach, bzw. Lidl im Jahr 2010 auch von eprimo, über ihr Filialnetz vertrieben haben, nutzt ALDI nun die eigene Website als Vertriebskanal, wahlweise auch den telefonischen Abschlusskanal. Die Kunden von damals mussten hingegen noch ein sogenanntes „Starterpaket“ für einen Euro erwerben, mit dem sie mittels eines darin enthaltenen Aktivierungscodes einen Vertrag per Telefon oder Internet anfordern konnten, der ihnen im Anschluss per Post zugeschickt wurde oder im Internet abgeschlossen werden konnte.

Welche Strategie verfolgt ALDI?

Aber welche Strategie verfolgt der Einzelhändler mit diesem Angebot eigentlich?

Fest steht, der Vertrieb von Strom- oder Gasverträgen über die Supermarktkasse war noch nie sehr erfolgreich. Der Abschluss eines solch komplexen Produkts erfordert Zeit und Beratung, was zusätzliches Personal in den Filialen binden würde. ALDIs Online-Strategie ist damit klug gewählt. Erst recht vor dem Hintergrund, da die Unternehmens-Website laut htmldomain.com von täglich rund 655.000 Einzelbesuchern aufgerufen wird. Auch die Vorweihnachtszeit, in der viele Verbraucher Großeinkäufe erledigen, dürfte dem Geschäft mit den Stromtarifen nicht abträglich sein, zumal unter der Annahme, dass der Stromtarif auch dort beworben wird oder sogar abschließbar ist.

Warum das Angebot allerdings eine zeitliche Begrenzung bis zum 08.01.2016 aufweist, bleibt unklar. Einerseits könnte es sich um ein erstes Testangebot handeln. Andererseits könnten die Partner auch einfach auf ein gutes Geschäft in der alljährlichen „Wechselsaison“ aus sein. Der wertvolle Webseiten-Platz kann über die restliche Zeit des Jahres schließlich auch für andere Angebote Verwendung finden.

Findet ALDIs Grünstrom auch Eingang in die Fernsehwerbung?

Ob das neue Angebot auch Eingang in die Fernsehwerbung findet, bleibt abzuwarten. Vor dem Hintergrund eines wenig produktbezogenen aktuellen Werbespots erscheint dies aus derzeitiger Perspektive allerdings als eher wenig wahrscheinlich. Sinn könnte es jedoch durchaus machen. E.ON, RWE oder Yello Strom fahren mit ihren TV-Kampagnen äußerst erfolgreich.

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