Steht die eingeschränkte Preisgarantie vor dem Aus? BGH-Urteil bestätigt Sonderkündigungsrecht bei allen Preiserhöhungen

Knapp 70 Prozent aller Haushaltskunden befanden sich laut Monitoringbericht 2016 der Bundesnetzagentur Ende 2015 mit ihrem Energieversorger in einem Sondervertragsverhältnis. Damit verbunden sind von der Grundversorgungsverordnung abweichende Geschäftsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Vertragslaufzeiten, Preisgarantien und Kündigungsmöglichkeiten der Kunden. Der Bundesgerichtshof hat nun mit seiner Entscheidung vom 05.07.2017 (Az.: VIII ZR 163/16) die Möglichkeiten von Energielieferanten zur Vertragsgestaltung eingeschränkt.

Im konkreten Fall hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eine Sonderkündigungsklausel in den AGB der Stromio GmbH angefochten. Diese schlossen ein Sonderkündigungsrecht aus, falls eine Preisanpassung auf die Erhöhung staatlicher Bestandteile wie Steuern, Abgaben oder Umlagen zurückzuführen ist. Das BGH hat nun festgestellt, dass der Kunde bei einer Preiserhöhung infolge einer Erhöhung der EEG-, KWK-, StromNEV- und Offshore-Haftungsumlage sowie der Konzessionsabgabe oder Stromsteuer ein Sonderkündigungsrecht hat. Zudem müssen die Kunden rechtzeitig über eine Preisänderung informiert werden.

Versorger wenden Ausschlüsse von Sonderkündigungen immer noch an

Ein Sonderkündigungsrecht bei entsprechender Erhöhung staatlicher Bestandteile am Strompreis auszuschließen, ist im Energievertrieb gängige Praxis. Wenn dies nicht explizit in den AGB geregelt ist, läuft es meist darauf hinaus, dass Versorger die außerordentliche Vertragskündigung aufgrund der Weitergabe hoheitlicher Lasten mit Hinweis auf den Ausschluss dieser Kostenbestandteile von der Preisgarantie ablehnen.

Darüber hinaus ist in einigen AGB auch geregelt, dass die Weitergabe von Umlagen automatisch und ohne explizite Ankündigung erfolgt. Auch dies ist nach dem BGH-Urteil nicht statthaft.

In den nächsten Wochen werden daher viele Versorger ihre Preisanpassungsklauseln an die neue Rechtslage anpassen müssen.

Urteil wirkt sich auch auf die Produktgestaltung aus

In dem Verständnis, die Weitergabe hoheitlicher Abgaben rechtfertige keine Sonderkündigung, besaßen die Versorger durch Tarife mit eingeschränkter Preisgarantie eine gewisse Kalkulationssicherheit. Sie hatten die Möglichkeit bestimmte Risiken auszuschließen und konnten so attraktivere Endkundenpreise kalkulieren. Nun ist dies zwar immer noch möglich, aber es droht häufiger als bisher die außerordentliche Kündigung des Vertrags durch den Kunden.

Bedeutet dies nun, dass reine Energiepreisgarantien oder eingeschränkte Preisgarantien keine Zukunft mehr haben, da der Kunde bei jeder Preisanpassung kündigen kann?

Wir glauben im Moment nicht, dass dies so sein muss, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Kunden, die wissen, dass ihre Preisgarantie bestimmte Kostenbestandteile nicht umfasst, werden unter Umständen gar nicht auf die Idee kommen zu kündigen, wenn genau diese Kosten im Falle deren Anstiegs weitergegeben werden.
  • Bei relativ frisch akquirierten Kunden, die einen Tarif mit Neukundenbonus haben, könnte sich die vorzeitige Beendigung des Vertrags bonusmindernd auswirken, d.h. der Bonus würde nur anteilig für die Dauer der tatsächlichen Belieferung gezahlt. Dies stellt sicherlich einen Hinderungsgrund für eine Kündigung dar.
  • Das Vorliegen einer eingeschränkten Preisgarantie bedeutet nicht zwangsläufig, dass steigende Kosten sofort 1:1 an die Kunden weitergegeben werden. Viele Versorger versuchen mittlerweile den Jahreswechsel als Preisanpassungszeitpunkt zu vermeiden und außerhalb der Wechselsaison zu erhöhen. Eine Zusammenlegung aller geplanten Preisanpassungen zu einem späteren Termin ist also denkbar.

Trotzdem entstehen durch das Urteil zusätzliche Kündigungsmöglichkeiten für die Kunden. Inwiefern das Angebot einer vollständigen Preisgarantie als Gegenmaßnahme sinnvoll ist, hängt sicherlich von der Unternehmensstrategie, der preislichen Positionierung, dem Zeitpunkt der Kundenakquisition und auch vom genutzten Vertriebskanal ab. Die ohnehin kanalspezifisch unterschiedlichen Loyalitätswerte pro Akquisitionskanal könnten durch beratende Vermittler stark beeinflusst werden. Deshalb sollten vor allem die Vermittler im Direktvertrieb unter anderem durch stärker laufzeitgebundene Provisionsmodelle dazu gebracht werden, die Kundenhaltedauer zu steigern.

Insofern ist die Thematik für jeden Vertriebskanal und für jede Zielgruppe unterschiedlich zu bewerten. Gerne stehen wir für Ihre Fragen zur Ausrichtung Ihrer Tarife und Ihres Vertriebs im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen zur Verfügung.

Gerne erarbeiten wir mit Ihnen eine Strategie zur langfristigen Kundenbindung!

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