Die Elektroauto-Prämie ist da!

Elektromobilität soll sich jetzt endlich durchsetzen. Nachdem die Bundesregierung Kaufprämien für Elektrofahrzeuge jahrelang aus den unterschiedlichsten Gründen abgelehnt hat, soll nach einer langen Diskussion jetzt schnell etwas passieren. 4.000 Euro sollen Käufer rein elektrisch angetriebener Fahrzeuge künftig erhalten. Wer sich einen Plugin-Hybriden anschafft, bekommt immerhin noch 3.000 Euro.

Eigentlich gar nicht so schlecht, denkt man sich, und kann sich sogleich darüber wundern, dass jetzt keine Euphorie ausbricht. Selbst die Befürworter von Kaufprämien haben nicht sofort gejubelt, sondern direkt angefangen die Lösung zu kritisieren.

Kritik ist natürlich immer möglich, aber die Gründe sind dennoch sehr unterschiedlich. So haben viele Organisationen, Verbände und Unternehmen, auch Kreutzer Consulting, in den letzten Jahren Ideen für Fördermodelle vorgestellt, die sich nun im vorgestellten Modell kaum oder gar nicht wiederfinden.

Insbesondere was die Finanzierungsfrage angeht, hätte eine maximale Belastung der Mineralölsteuer von etwa 1,75 Cent pro Liter gereicht, um die Anschaffung von einer Million Elektrofahrzeugen bis 2020 mit bis zu 10.000 Euro pro Fahrzeug zu unterstützen. Details zu unserer Grundidee aus dem Jahr 2011 finden Sie hier.

Bei aller Kritik entstehen natürlich auch Chancen und letztlich müssen sich alle Marktteilnehmer, auch Energieversorger, auf die Folgen der neuen Prämie einstellen. Zum Beispiel ist zu überlegen, was man mit den eigenen Förderangeboten machen soll. Im Folgenden finden Sie deshalb erst eine kritische und dann eine etwas optimistischere Bewertung der Kaufprämie, bevor es am Ende um die Rolle der Energieversorger geht.

Kritische Analyse der vorgestellten Prämie

  • 4.000 Euro reichen in den meisten Fällen nicht, um Elektrofahrzeuge auf ein mit Verbrennern vergleichbares Preisniveau zu bringen. Auch bei Einrechnung der Betriebskosten wird es, nicht zuletzt wegen aktuell geringer Benzin- und Dieselpreise knapp. Der geringere Preis wird also nicht zum Kaufargument, sondern mildert den Schmerz höchstens ein bisschen.
  • Die Beteiligung der Autohersteller an der Förderung klingt nach planwirtschaftlicher Preisfestsetzung, ist aber tatsächlich nachvollziehbar, da die deutschen Autobauer die EU-Emissionsvorgaben vermutlich nur erreichen können, wenn sie eine gewisse Anzahl emissionsfreier Fahrzeuge verkaufen. Strafzahlungen von 95 Euro pro Gramm Überschreitung der CO2-Grenzwerte können recht schnell den Einsatz für die Förderung von E-Fahrzeugen um ein Vielfaches übersteigen. Immerhin müssen nicht nur ein paar Tausend Fahrzeuge mitfinanziert werden, sondern Strafen pro in der EU verkauftem Fahrzeug geleistet werden.
    Ein weiterer Kritikpunkt an der Herstellerbeteiligung ist deren zu erwartende Preispolitik in den nächsten Jahren. Jetzt werden die Preise künstlich um 2.000 Euro reduziert, während man in den nächsten Jahren sinkende Kosten nur sehr zögerlich, wenn überhaupt, weitergeben wird. Rabatte, die über die 2.000 Euro hinausgehen, wird man als Kunde vermutlich auch nicht erhalten.
  • Die Förderung von Plugin-Hybriden mit 3.000 Euro nutzt sogar fast nur den Herstellern. Da die Verbrauchsberechnung Durchschnittsverbräuche von ca. 2-3 Litern ergibt, mindern diese Fahrzeuge den CO2-Ausstroß deutlich, kosten aber dank kleinerer Batterien meist wesentlich weniger Aufpreis als ein vergleichbarer Benziner oder Diesel. Hier könnte der Preisnachlass durchaus als Verkaufsargument dienen, zumal die Kunden sich nicht um die Reichweite sorgen müssen. Zudem müssen sie das Fahrzeug auch nicht unbedingt über die Steckdose laden. Im Zweifel wird die Batterie eben besonders effizient mit der Energie aus dem Verbrennungsmotor geladen, um die emissionsfreie Stadtfahrt zu ermöglichen.
  • Die Fahrzeugpreise für die Neuwagen sind in den letzten Jahren ohnehin stark gefallen und werden nun nochmals um 4.000 Euro reduziert. Überzeugte Elektroauto-Käufer, die sich ihr Fahrzeug in der Vergangenheit gekauft haben, werden jetzt zusehen müssen, wie die Restwerke ihrer Gebrauchtwagen weiter sinken. Diesen Effekt hätte man durch eine frühere Einführung einer Förderung abmildern können.
  • Das Hauptproblem ist aber, dass im Moment kaum geeignete Fahrzeuge auf dem Markt sind. Überwiegend werden noch Fahrzeuge der ersten Generation angeboten, die schon seit mehreren Jahren auf dem Markt sind und noch mit Reichweiten von 150-200 km (in der Realität eher 100 -150 km) operieren. Bis die zweite Generation mit 300-400 km Reichweite zu deutlich günstigeren Preisen als bisher auf dem Markt sein wird, dauert es noch bis mindestens 2017. Kurzfristig dürfte sich also die Nachfrage nach den jetzt noch eher unattraktiven Fahrzeugen kaum erhöhen.
  • Die Begrenzung der Förderung auf Fahrzeuge unter 60.000 Euro wird uns als sozialer Akt verkauft, da sich die Reichen den Elektroantrieb auch so leisten können. Das mag für Plugin-Hybride gelten, aber bezogen auf reine Elektrofahrzeuge wirkt es eher so, als wolle man Tesla von der Förderung ausschließen.

Insgesamt stehen die Zeichen für die Elektromobilität also noch nicht unter einem besonders guten Stern. Trotzdem werden sich die Autohersteller in den nächsten Jahren bemühen müssen, vernünftige Fahrzeuge anzubieten und diese auch zu verkaufen, da es sonst mit den Emissionszielen wirklich nichts wird. Interessant wird es aber aus unserer Sicht erst, wenn der neue Opel Ampera-e, das Upgrade des BMW i3 oder das Tesla Model 3 auf den Markt kommen werden. Dann könnten Alltagstauglichkeit und geringere Kosten zu attraktiven Produkten führen, die beim Kunden ankommen.

Optimistische Bewertung der Kaufprämie

Auch wenn es nicht sofort zu einem Boom der Elektrofahrzeug-Nachfrage kommt, werden die Zulassungszahlen dennoch steigen. Verbraucher und Unternehmen, die bislang mit der Anschaffung von Elektrofahrzeugen geliebäugelt haben, werden den Preisvorteil nutzen und umsteigen. Unabhängig von den Berechnungen des ADAC, laut denen nur der Kia Soul EV und die Mercedes B Klasse günstiger werden als ihre Pendants mit Verbrennungsmotor, werden insbesondere Pendler mit längeren Fahrtstrecken zur Arbeit und Gewerbebetriebe mit hoher Auslastung und maximaler Nutzung der Tagesreichweite finanzielle Vorteile erzielen können.

Wer sich außerdem an der tatsächlich notwendigen Reichweite orientiert und sich nicht von diffusen Reichweitenängsten leiten lässt, wird auch unter den jetzt verfügbaren Fahrzeugen fündig werden. Elektroautos wie der Peugeot iOn oder der Nissan Leaf bieten jahrelang erprobte Technik und sind im Stadtverkehr oder bei überschaubaren Pendelstrecken mit 4.000 Euro Preisvorteil sicherlich eine interessante Alternative. Es ist dann an den Händlern, die Vorteile der Fahrzeuge etwas überzeugender darzustellen als bisher.

Die sinkenden Emissionsgrenzen innerhalb der EU werden aber wohl dazu führen, dass die Hersteller ihre Elektrofahrzeuge tatsächlich offensiver bewerben und dann auch verkaufen werden. Wo es noch an Attraktivität fehlt, weil bspw. die Reichweiten nicht ausreichen, werden Batterie-Upgrades durchführt, die genau an diesen Problemen ansetzen und den Käufern die Ängste nehmen.

Die immer wieder auftauchenden Argumente, es müsse erst einmal eine Infrastruktur mit Lademöglichkeiten etc. geschaffen werden, kann man zumindest im Moment noch ignorieren, auch wenn die Fahrzeugnachfrage steigt.

Es gibt genügend Menschen, die in Einfamilienhäusern leben und einen Stromanschluss in der Garage haben. Es gibt auch viele Arbeitgeber, die ihre Firmenparkplätze kurzfristig mit Lademöglichkeiten ausstatten können, um das Laden am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Und es gibt immer mehr private Initiativen zur Schaffung von Ladeinfrastruktur. Ob sich Privathaushalte Lademöglichkeiten teilen, Parkplatzanbieter Ladesäulen einrichten oder Supermärkte und Discounter wie Aldi ihren Kunden das Schnellladen ermöglichen. Alles wird dazu beitragen, die Ladeinfrastruktur nachfragegerecht auszubauen. Auch der Staat will ja mehr Geld für Lademöglichkeiten in die Hand nehmen.

Richtig ist allerdings, dass heute nicht jeder, der gerne ein Elektrofahrzeug erwerben möchte, die Möglichkeit hat, dieses auch zu Hause oder am Arbeitsplatz aufzuladen.

Sofern man sich aber auf die aktuell zu hebenden Potenziale konzentriert, wird man aber vermutlich erst einmal genügend Käufer finden, um die – immer noch sehr geringe – Produktion von Elektrofahrzeugen auszulasten. Alle anderen müssen entweder einen Plugin-Hybriden kaufen oder vorerst noch verzichten.

Auch unter den oben genannten Einschränkungen wird es also zu einer Steigerung der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen kommen. Daraus ergeben sich Konsequenzen für Energieversorger, die wir nun zum Schluss noch kurz beleuchten wollen.

Wie können Energieversorger von der Prämie profitieren?

Energieversorger nehmen bislang im Bereich der Elektromobilität verschiedene Rollen ein, teilweise auch mehrere gleichzeitig:

  • Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur
  • Bereitstellung von Stromanschlüssen für private und halböffentliche Ladeinfrastruktur
  • Förderung der Anschaffung von Elektrofahrzeugen
  • Angebot von Autostromtarifen

Öffentliche Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht aufbauen

Der Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur wird weiterhin eine wichtige Rolle für Stadtwerke spielen. Die Förderung wird dazu beitragen, dass mehr Fahrzeuge zugelassen werden. Kommunen und ihre Stadtwerke werden die Aufgabe haben, Ladelösungen bedarfsgerecht auszubauen und sich als Infrastrukturdienstleister zu positionieren. Geschäftsmodelle für den Betrieb von Ladesäulen müssen aber die hohen Investitionen und die anfangs nur langsam anziehende Nachfrage nach öffentlichem Laden berücksichtigen und sich daher wohl eher an den Standzeiten als an der geladenen Strommenge orientieren. Zudem sind ganz neue Ansätze zur Refinanzierung der Lademöglichkeiten zu suchen.

Ladekonzepte für den privaten und halböffentlichen Bereich entwickeln

Die Nachfrage von Unternehmen, Supermärkten und auch Privathaushalten nach Ladetechnologie wird zunehmen. Da Stadtwerke bzw. die Netzbetreiber Stromanschlüsse bereitstellen, können das Angebot von Ladestationen für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke, die Bereitstellung von Abrechnungsmodellen auch im privaten Bereich oder die Einbindung der Ladesäulen und ihres aktuellen Zustands (frei/belegt/frei ab, etc.) in entsprechende Webanwendungen interessante Geschäftsfelder werden. Anders als im öffentlichen Raum geht es hier um den Verkauf von Hard- und Software, weitestgehend ohne Übernahme des Betriebsrisikos mit entsprechend guter Kalkulierbarkeit der Erlöse.

Im Wettbewerb mit Autostromanbietern und Autoherstellern Kernkompetenzen betonen und ausbauen

Führende Autohersteller wie Porsche, Daimler oder Volkswagen haben bereits heute Kooperationen mit Energieversorgern geschlossen, um ihren Elektroauto-Kunden 100%igen Ökostrom zu verkaufen. Gerade bei Privatkunden, die nur einen Stromanschluss zu Hause haben, bedeutet dies jedoch oft, dass nicht nur der Stromverbrauch des Elektroautos, sondern der gesamte Haushaltsstromverbrauch über den neuen Vertrag abgerechnet werden. Für Versorger, die solche Vertriebskooperationen schließen, bedeutet dies neue Potenziale und die Möglichkeit nachhaltig zu expandieren, ggf. auch mit dem Angebot ergänzender Services im Bereich der Elektromobilität. Dass die Autohersteller bei wachsendem Markt auch eigene Stromangebote entwickeln und im Paket mit ihren E-Fahrzeugen verkaufen, ist allerdings durchaus eine Option. Autostromanbieter würden dann aus dem relativ neuen Markt recht schnell wieder verdrängt. 

Für Stadtwerke bedeutet das zunehmende Angebot von Autostromtarifen durch Autohersteller und Händler ein Risiko, unabhängig davon wer den Strom letztlich liefert. Es ist davon auszugehen, dass ein eigenes Stromprodukt, z.B. von Daimler oder BMW, sich noch leichter verkaufen lässt, als ein Kooperationsprodukt eines Ökostromanbieters.

Stadtwerke sollten das Risiko erkennen und ihren Kunden kommunizieren, dass sie zum Laden des Fahrzeugs keinen neuen Vertrag mit einem anderen Anbieter benötigen. Vielmehr ist der lokale Versorger als Infrastrukturdienstleister mit dem Stromanschluss für das reibungslose Laden verantwortlich, egal wer den Strom dazu liefert. Mit attraktiven Angeboten für eigene Autostromanschlüsse und intelligenten Versorgungs- und Dienstleistungskonzepten für Haus und Auto können Stadtwerke von der steigenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen profitieren. Hierbei sind vor allem die Autohersteller und deren Angebote im Auge zu behalten, um auf neue, innovative Services adäquat reagieren zu können. Dies kann aber nur funktionieren, wenn Stadtwerke tatsächlich solche Angebote haben. Ansonsten sind neue Anbieter mit spezialisierten Services im Vorteil und können die Hausstromversorgung recht leicht übernehmen.

Fördermittel zur Kundenbindung beibehalten

Versorger haben in den letzten Monaten ihre Förderprogramme häufig um Anschaffungsprämien für Elektrofahrzeuge ergänzt. Angesichts der staatlichen Prämie von 4.000 Euro könnte man auf die Idee kommen, sich die 500 Euro zu sparen.

Nutzt man das Geld jedoch weiterhin, um den eigenen Kunden noch höhere Anreize zur Fahrzeuganschaffung zu bieten, kann man dies sicherlich leicht an den Abschluss eines Autostromvertrages, den Kauf einer Wallbox oder die Nutzung einer Abrechnungssoftware für Nachbarschaftsladen binden. Mit Dienstleistungen, wie bspw. einem Hausnetz-Check auf Tauglichkeit für das Laden von Elektrofahrzeugen, erhält man direkten Zugang zum Kunden und kann dessen potenziellen Bedarf an weiteren Dienstleistungen besser abschätzen. Möglichkeiten ergeben sich in allen Bereichen. Die Herausforderung wird nur sein, die Potenziale direkt zu erkennen und in vertriebliche Maßnahmen umzusetzen. Dann können neben dem Autostromvertrag oder dem neuen Hausanschluss auch Solaranlagen, stationäre Speicher, neue Heizungen, Maßnahmen zur energetischen Sanierung oder Smart Home-Systeme verkauft werden.

So einfach wie dies nun klingt, wird es zwar nicht sein, eine Förderung kann aber auch als Türöffner dienen und weitere Erlöspotenziale heben. Wenn man sich den Zugang zum Kunden nicht selbst schafft, werden es andere tun. Dabei besteht das große Risiko, dass nicht nur der Commodity-Vertrieb mit Strom und Gas leidet, sondern auch der Erfolg in neuen Geschäftsfeldern ausbleibt.

Fazit:

Man mag über die Kaufprämie denken, was man will. Sicher ist jedenfalls, dass es zu einer Verbilligung von Elektrofahrzeugen kommt und dadurch ein Marktwachstum angestoßen wird. Diese Chance werden Startups, Technologieanbieter und Dienstleister aller Art nutzen, um ihre Elektromobilitätsangebote verstärkt im Markt zu platzieren. Energieversorger müssen sich jetzt ebenfalls über ihre künftige Rolle in diesem Zukunftsmarkt klar werden, ihre Leistungen erweitern und diese vor allem ihren Bestandskunden kommunizieren. Wenn der große Elektrofahrzeug-Boom einsetzt, wird es dazu zu spät sein

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